Indien - Kerala

Gentle Giant Summit – Erster „Elefantengipfel“ in Kerala

Hintergrund

Ein Lichtblick für Elefanten in Kerala, Indien: Beim Gentle Giant Summit (GGS) kamen erstmals Politiker, Experten und Behördenvertreter zusammen, um über die dramatische Situation der Elefanten zu beraten und Lösungsstrategien zu erarbeiten. Der „Elefantengipfel“ – initiiert und veranstaltet von Sangita Iyer und ihrer Organisation Voice For Asian Elephants Society (VFAES) – fand vom 16.-18. November 2019 in Keralas Hauptstadt Trivandrum statt. Future for Elephants ermöglichte durch finanzielle Unterstützung das Zustandekommen des GGS.

Inhaltlich standen folgende Themen im Fokus:

  • Ökologische Wechselwirkungen von Klimawandel und der abnehmenden Elefantenpopulation
  • Sicherheit wild lebender Elefanten bei ihren Wanderungen: Erfahrungsaustausch von Experten verschiedener Bereiche, wie sich tödliche Unfälle von Elefanten auf Eisenbahnstrecken, Autobahnen oder durch Elektroleitungen vermeiden lassen
  • Situation der in Gefangenschaft lebenden Elefanten, die oft unter horrenden Bedingungen gehalten werden. Sie leben in Tempeln, müssen bei religiösen Festivals auftreten oder als Reitelefanten für Touristen arbeiten.

Sowohl in Vorträgen als auch in Arbeitsgruppen nach der „World Café“-Methode wurden die Themen beleuchtet, Erfahrungen ausgetauscht und Lösungsmöglichkeiten entwickelt.

 

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Elefanten als Klimaschützer

Wie Elefanten zum Erhalt der Ökosysteme und zum Überleben anderer Tierarten beitragen, erläuterte der international bekannte Klimaforscher und Elefantenexperte Dr. Raman Sukumar in einem Videovortrag. Als „Gärtner der Erde“ sorgen die Grauen Riesen etwa für großflächige Verteilung von Samen und Dung, oder kreieren Pfade im Wald, die auch anderen Tieren den Zugang zu Wasser- und Futterstellen ermöglichen. Das Überleben der Elefanten sei von entscheidender Bedeutung für die Bekämpfung des Klimawandels, dessen katastrophale Auswirkungen gerade in Kerala von Dr. Sukumar anhand der dortigen Flutkatastrophe im August 2018 vor Augen geführt wurde. Der Schutz von Elefanten und ihren Lebensräumen sei somit auch im Interesse des Klimaschutzes essentiell. In einem weiteren Vortrag berichtete Sukumar über die Bedeutung von Wanderkorridoren für Elefanten.

„Ein Leben lang wild“

Die Bedeutung der Elefanten als ökologische „Schlüsselspezies“ und die dringende Notwendigkeit, sie vor dem Aussterben zu bewahren, unterstrich auch der Sozialwissenschaftler Dr. Rajan Gurukkal. Aufgrund der charakteristischen Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Dickhäuter könnten sie nicht domestiziert werden, sondern blieben ein Leben lang Wildtiere („wild unto death“).

Individuelle Verhaltensweisen von Elefanten und jeweils adäquate Techniken der Konfliktvermeidung bei Begegnungen mit Elefanten standen bei einem weiteren Vortrag im Mittelpunkt.

Nachhaltige Infrastruktur

Immer mehr Elefanten sterben auf Autobahnen oder Eisenbahngleisen, die ohne Rücksicht auf die Wanderungen der Tiere die Landschaft zerschneiden. Wie eine nachhaltige Planung unter Berücksichtigung der Migrationsrouten und mit dem Bau von Wildtier-Brücken oder -Tunneln aussehen könnte, erläuterten Staatsbeamte aus verschiedenen Bereichen und Ministerien und tauschten praktische Erfahrungen aus. Ein leitender Ingenieur der staatlichen Elektrizitätsversorgung in Kerala unterstrich die Notwendigkeit, tief verlaufende Stromleitungen in der Nähe von Waldgebieten zu vermeiden, um Elefanten vor tödlichen Stromschlägen zu schützen.

Berichtet wurde auch von erfolgreichen Aufforstungsprojekten, die zu einer Rückkehr von Wildtieren geführt hätten. Ökologisch sensible Gebiete müssten zudem vor menschlichen Eingriffen geschützt werden, betonten Experten der Forstbehörden.

Sensible Dickhäuter

Dass Elefanten wie Menschen unter einem Posttraumatischen Stress-Syndrom leiden können, beschrieb die aus Chicago zugeschaltete Dr. Jessica Bell Rizzolo in ihrem Vortrag. Als jüngste Rednerin stellte Polizeikadettin Kaavyaa Saseedharan die grundsätzliche Frage, ob es in Anbetracht des immensen Leidens von Elefanten in Gefangenschaft legitim sei, die Tiere für kommerzielle oder religiöse Zwecke zu nutzen.

Ein weiteres Thema war die Gefahr durch Zoonosen, also von Krankheiten, die von Menschen auf Wildtiere oder von Wildtieren auf Menschen überspringen.

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Strategien und Visionen

Nach der „World Café“-Methode fanden sich immer wieder Kleingruppen zusammen, um Themen zu erörtern, angestrebte Ziele zu formulieren und um Strategien und Visionen zu entwickeln. Wichtige Punkte waren:

  • Gründung einer Steuerungsgruppe um Ziele und Visionen umzusetzen
  • Bevölkerung in Kerala für Natur- und Artenschutz sensibilisieren, eine Kultur der Empathie für Elefanten und andere Spezies zu erreichen/wiederzubeleben
  • Umfassende Aufklärungs- und Awareness-Programme starten
  • Kampagnen in den Bereichen Bildung, Politik, Verwaltung
  • Akteure wie Mahouts, Elefantenbesitzer, Strafverfolgungsbehörden einbeziehen

Der Elefantengipfel leiste einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und werde die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure in Ministerien und Behörden erleichtern, hofft Initiatorin Sangita Iyer.

Land für wilde Elefanten in Kerala: Das Korridor-Projekt

Verstörende Bilder von Elefanten, die Bahngleise oder Autobahnen überqueren, mit Feuergeschossen verjagt werden oder in Elektrozäunen verendet sind, erreichen uns immer wieder aus Indien. Dort lebt mit 27 000 Elefanten noch die größte Population der vom Aussterben bedrohten Asiatischen Elefanten weltweit – doch die Grauen Riesen sind aufgrund der rasant anwachsenden Bevölkerung in großer Bedrängnis. Mit dem neuen Korridor-Projekt in Kerala soll strategisch wichtiges Land gekauft und für die Elefanten gesichert und renaturiert werden. 

Ins Leben gerufen wurde das Korridor-Projekt in Kerala von Sangita Iyer. Die Biologin und Filmemacherin machte mit ihrem Film Gods In Shackles (Götter in Ketten) auf das Leiden der Tempelelefanten aufmerksam.

Das Land, das nun für die Elefanten gekauft und renaturiert werden soll, liegt im Norden Keralas an der Grenze zwischen Nilambur und Tamil Nadu. Das Tal gilt als globaler Hotspot für Biodiversivität und stellt eine traditionelle Wanderroute der Elefanten dar. Der Korridor, der verschiedene Waldgebiete verbindet, ist aktuell nur noch 500 Meter breit und ist von Gummi- und Bananen-Plantagen umgeben. Auf ihren Wanderungen in die verbliebenen Habitate sind die wilden Elefanten deshalb großen Gefahren ausgesetzt.

In einem ersten Schritt sollen zunächst 2 Acres (rund 0,8 Hektar) gekauft und für die Elefanten renaturiert werden. Die Aufgabe als „Hüter des Waldes“ wird eine kleine indigene Gemeinschaft übernehmen, die dort in der Nähe lebt und dadurch eine neue Lebensgrundlage erhält. Dies sei dringend, erläutert Sangita Iyer: Momentan bestehe die Gefahr von Konflikten, da die Stammesangehörigen auf den Wald angewiesen seien und deshalb immer wieder in das verbliebene Habitat  eindringen. Durch den Kauf der 2 Acres wird sich der bestehende Korridor auf das Doppelte verbreitern.

In einem Stufenplan wird insgesamt der Kauf von 58 Acres (23 Hektar) zusammenhängenden Landes angestrebt. Durch die Wiederaufforstung mit einheimischen Pflanzenarten wird das Projekt den wilden Elefanten sowohl neuen Lebensraum als auch sichere Verbindungen zwischen bestehenden Habitaten verschaffen. Zudem ist die lokale Bevölkerung eingebunden und erhält eine neue Lebensgrundlage – drohende Konflikte werden so entschärft.

Bei diesem wegweisenden Projekt kooperiert die VFAES mit dem Kerala Forest Department und konnte die Unterstützung des Ökologen und Elefanten-Experten Dr. Raman Sukumar gewinnen, der den ersten Elefantenkorridor in Indien geschaffen hat.

         

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